Als Hobby-Astronom gebe ich hier einen Erfahrungsbericht wieder, der das Beobachten eines zunächst unbekannten Objekts betrifft, und wie ich Schritt für Schritt die Natur des Objekts aufdeckte.
Die Beobachtung
Am frühen Abend des 4. September 1999 bereitete ich mich auf einen Beobachtungsabend vor. Es dämmerte und ich hatte das Teleskop bereits einsatzbereit als ich im Osten ein helles Objekt am Himmel erblickte.
Ich erkannte, das das Objekt sich nicht bewegte - also vermutlich kein Flugzeug war - und trotzdem eine Helligkeit von etwa -3 mag hatte. Ich richtete das Teleskop auf das Objekt und stellte es scharf. Zu sehen war ein kreisrundes scheinbar durchsichtiges Objekt ähnlich einem Luftballon mit einem Durchmesser von etwa 2,54 Bogenminuten. Unterhalb des Zentrums innerhalb sowie außerhalb des Kreises konnte ich weitere zwei oder 3 sehr viel kleinere Objekte erkennen, die in hellen und dunklen Farben auf einer gedachten Linie erschienen.
Ich zeigte dieses Objekt zwei weiteren Personen. Die zweite Person sagte kurz darauf: Es explodiert! Ich schaute sofort wieder ins Okular und sah etwa 20-30 kleine Teile wie bei einem Höhenfeuerwerk gen Boden streben. Nach etwa 2 Sekunden war nichts mehr zu sehen.
Ich notierte alle Angaben zur Beobachtung.
Beobachtungsort | Deutschland, Mecklenburg-Vorpommern, N54°10', E12°10', 20 m Höhe |
Beobachtungstag | Sonnabend, 4. September 1999 |
Beobachtungszeit, Beginn | etwa 20.13 MESZ |
Beobachtungszeit, Explosion | 20:15:35 MESZ +/-2 Sekunden |
Rektaszension, Deklination | RA=22H 01m, DE=+27°11' |
Höhe, Azimut | Hö=38,7°, AZ=96,2° (von Nord über Ost gezählt) |
Beobachtungsinstrument | SC-Teleskop, D=8", f= 2000 mm, f Okular=40 mm |
Wetter | Etwa 25 °C, sehr geringer Wind |
Nachdem ich dieses Ereignis erst einmal verdauen musste, versuchte ich mir dies auf verschiedene Arten zu erklären:
Im Weiteren fuhr ich mit dem vorgesehenen Beobachtungsprogramm an diesem Abend fort und versuchte am nächsten Tag Ordnung in die Ideen zu bringen.
Auswertung
Nachdem sich das Objekt etwa 2 Minuten lang kaum bewegt hatte, schieden Fall 4 und 5 aus. Allerdings ist zu bedenken, dass die Nachführung des Teleskops bereits in Betrieb war. Bei dem gewählten Okular (Sichtwinkel=1,3°) war während des Beobachtens keine Korrektur der Beobachtungsrichtung erforderlich. Das Objekt hat sich demnach in erster Linie gering in südlicher Richtung bewegt.
Bleiben Fall 1 bis 3 zur Auswahl. Die Luftbewegung am Beobachtungsort war zur Beobachtungszeit sehr gering. Die Tage vor der Beobachtung waren alle sehr heiß mit bis zu über 30 °C zur Mittagszeit. Die vorherrschende Windrichtung ist Nordwest. über die Luftbewegung in der Region des Objektes konnte ich keine Aussagen/Annahmen machen, da die Position unbekannt war.
Die Helligkeit des Objektes war etwa -3 m. Zu dieser Einschätzung komme ich aufgrund der Erfahrungen mit der Helligkeit der Venus, die ich in der Morgen- und Abenddämmerung bereits häufig beobachtet habe. Wenn das Objekt nur Sonnenlicht reflektiert hatte, musste es in größerer Höhe positioniert gewesen sein, da die Sonne bereits untergegangen war.
Den Stand der Sonne errechnete ich zu 3,6° unter dem Horizont bei einem Azimut von 287,4°. Objekt und Sonne standen sich somit im Azimut bis auf 11,0° (287,2° - 180° - 96,2°) gegenüber. Das Objekt war demnach für den Beobachter nahezu flächendeckend beleuchtet. Zum Beobachtungszeitpunkt herrschte die Bürgerliche Dämmerung.
Bis hier hatte ich noch keine Vorstellung von der Entfernung des Objektes. Mit der Annahme der Objektgröße von etwa 10 m und dem Sichtwinkel von etwa 3 Bogenminuten errechnete ich eine Entfernung von etwa 12 km. Bei der Höhe von 38,7° entspricht das einer Entfernung auf der Erde von etwa 9 km. Ich zeichnete die Sichtrichtung in eine Umgebungskarte ein:
Beobachtungsrichtung vom Beobachtungsort (links) aus, die Entfernungen vom
Beobachtungsort zum jeweiligen Ort betragen: Marlow 25,5 km, Kavelsdorf 34 km,
Grimmen 57 km, Greifswald 79 km, Genehmigung durch Bayrische
Vermessungsverwaltung
Ich suchte Kontakt zu Experten und erhielt von W. Walter (Cenap) Hinweise zu Quellen über derartige Berichte. Ich studierte zwei Erfahrungsberichte, die Beobachtungen von Wetterballons zum Inhalt hatten. Ich kam zu dem Ergebnis, das auch ich einen Wetterballon beobachtet hatte, der am Ende des Aufsteigens platzte.
Ich suchte nach Informationen zu den Eigenschaften von Wetterballons, deren Größe, Steighöhe, Aufstiegsorten usw. Hier sind einige interessante Informationen:
Es gibt weltweit etwa 500 Stationen, bei denen Wetterballons gestartet werden. Aufstiege finden zweimal täglich statt. Zu Beginn des Fluges hat der Ballon einen Durchmesser von etwa 2 Metern. Er steigt mit etwa 400 m pro Minute und liefert mittels angehängter Sensorik ständig Messwerte an die Bodenstation(en). Auch der örtliche Verlauf des Fluges kann protokolliert werden. In zunehmender Höhe nimmt der Luftdruck ab, was den Ballon im Durchmesser wachsen lässt; ebenso sinkt die Tragkraft mit zunehmender Höhe. Hält das Material des Ballons dem Innendruck nicht mehr Stand, platzt der Ballon und die Sensorik gleitet an einem Fallschirm zu Boden. Höhen von 20 bis zu 40 km werden so erreicht.
Schluss
Bleibt zum Schluss die Identifizierung des eingesetzten Ballons. Hier ist der Kontakt zu den in Frage kommenden Organisationen erforderlich, die aeronomische Messungen mit Hilfe von Wetterballonen durchführen. Durch die Angabe der ungefähren Größe beim Platzen oder durch Angabe des Startplatzes und der Windverhältnisse kann eine Übereinstimmung festgestellt werden. Wo wurde zur fraglichen Zeit ein Wetterballon gestartet, der zu diesen Beobachtungsdaten passt?
Wer hat Informationen und stellt mir diese bereit? Schreiben Sie mir!
Und hier die Zuschriften:
R. Neugebauer aus Hannover weist auf den Link vom Arbeitskreis Amateurfunk und Telekommunikation in der Schule e.V. (www.aatis.de) hin. Man kann dort näheres über Ballonmissionen aus dem Amateurfunkbereich finden. Für den Zeitraum und den Ort meiner Beobachtung fand ich leider keine Übereinstimmung.
R. Sczyrba schrieb mir und wies auf die Seite www.radiosonden.de hin. Aufstiegsstellen für den in Frage kommenden Bereich wären beispielsweise Greifswald (DWD) oder Kühlungsborn (Wissenschaftliche aerologische Station).
Weiterhin schrieb er mir zu meiner Beobachtung vom 1999-09-04:
Der Flug des Ballons lässt sich recht gut nachvollziehen. Die Flugdaten
sämtlicher Radiosondenaufstiege von 0 Uhr und 12 Uhr UTC findet man unter
http://weather.uwyo.edu/upperair/sounding.html.
Die Flüge von 6 und 18 Uhr sind nicht gelistet, man kann aber den Mittagsstart
von Greifswald als Referenz nehmen. Leider haben die Wetterfrösche bei beiden
Aufstiegen dieses Tages den Radarkontakt zum Ballon verloren; aber an Hand des
12 Uhr - Aufstieges kann man eine Flugrichtung von 275-290° abschätzen, was
durch ihre Beobachtung bestätigt wird. Die Soundings geben die Richtung an, aus
der der Wind weht - man muss also etwas dabei rechnen. Bei den gegebenen
Windverhältnissen von im Mittel 20 kn kann man bei 1,5h Flugzeit etwa 25-35 km
Flugstrecke bis zum Platzpunkt bei ca. 31km Höhe annehmen, da der Wind in
größerer Höhe aus NO mit über 30 kn geblasen hat und den Ballon in südliche
Richtung getrieben haben dürfte.. Als Vergleich habe ich noch die
(vollständigen) Daten der polnischen Aufstiegsstelle Leba herangezogen, welche
natürlich etwas von den Greifswalder Daten abweichen. Hier die graphische
Aufbereitung für Leba (mit dem Programm Balloon Track erstellt). Die gelbe Linie
gibt die Flugstrecke bis zum Platzen an.
Mehr ist leider nicht herauszuholen, ich hoffe, es hilft ihnen weiter.
Flugbewegung für einen Wetterballon der Station Leba/Polen am 1999-09-04
10184 Greifswald Observations at 12Z 04 Sep 1999
-----------------------------------------------------------------------------Ausblick
Da der Einsatz von Wetterballons ein wiederkehrender Prozess ist, sollte es möglich sein, die gemachten Beobachtungen zu wiederholen. Es sollte sogar möglich sein, eine fotografische Dokumentation zu erstellen. Hierzu ist das Wissen über die Startfenster der Ballons sowie ein Abgleich mit dem Sonnenstand erforderlich, um alle Parameter, die für eine derartige Beobachtung erforderlich sind, in Übereinstimmung zu haben.
Letzte Änderung: 2007-12-28